Generation Beziehungsunfähig - Das ewige Thema Freundschaft Plus


Feste Beziehung, verheiratet, offene Beziehung, Freundschaft Plus, alleine in meinem direkten Freundeskreis, habe ich bereits vier Beziehungskonzepte – so viel zum Thema beziehungsunfähig. Und ja, alle vier Paare (oder eben nicht Paare) gehören zur Generation Y.

Klar, habe ich auch einige Freunde, die single sind. Doch ist das mit Anfang 20 so tragisch? Egal wie wir es machen, uns wird nachgesagt, dass wir keine Ahnung von Beziehungen haben. Rede ich mit meiner Kollegin über meinen Freund, bekomme ich gesagt, ich solle so schnell laufen wie ich könne. „Ach, seine Familie kennst du auch schon?! Lauf, Kind!“ Klar kenne ich nach drei Jahren seine Familie und bin auch auf Geburtstage seiner Verwandten eingeladen. Deswegen werde ich meinen Freund nicht verlassen.

Aber es geht auch anders. Letztens erzählte eine Freundin mir von ihrer Freundschaft Plus. „Wir wollten zuerst nicht, dass es jemand mitbekommt. Wir hatten Angst, dass unser gemeinsamer Freundeskreis darunter leidet und die Kommentare wollten wir uns auch ersparen.“ Ich verstehe die Argumentation. Im Endeffekt geht es auch niemanden etwas an, doch warum mischen sich unsere Freunde, unsere Familie oder, wie in meinem Fall, unsere Kollegen sich immer wieder in unsere Beziehungen/Beziehungskonzepte ein?


Ich musste etwas schmunzeln, als nur zwei Tage später mir eine weitere Freundin, nennen wir sie mal Anna, schreibt „Was bevorzugst du eigentlich? Freundschaft Plus oder eine feste Beziehung?“ Ist man einmal mit dem Thema betraut, scheint die ganze Welt plötzlich mit einem darüber reden zu wollen. Anna erzählte mir später an diesem Abend noch von ihrer etwas komplizierteren Freundschaft Plus mit ihrem Klassenkameraden Tom. 

Ursprünglich kannten sich die beiden gar nicht so gut, doch dann verabredeten sie sich zum Filmeabend. Anna schlief dabei ein und Tom küsste sie wach. So weit, so romantisch. Schluss damit, denn eine Beziehung wolle er nicht und sie eigentlich auch nicht so wirklich und Gefühle… naja, die sind auch nicht so wirklich da, zumindest wenn man ihren Nachrichten glauben darf. Dennoch treffen sich beide danach regelmäßig auch außerhalb der Schule. Sie fummeln, knutschen und nach einigen Wochen landen sie im Bett. Von Bekannten wird Anna schief angeschaut, wenn sie von ihrer Freundschaft Plus spricht, deswegen ist sie zu mir gekommen, über’s Handy kann man einander nur schwer schief anschauen. Was in einigen Städten schon längst als „normal“ gilt, scheint woanders noch nicht wirklich angekommen zu sein.

Doch reden wir mal über die Spielregeln einer Freundschaft Plus. Die erstbeste Seite im Netz, mir wurde von Google „flirtuniversity.com“ vorgeschlagen, definiert diese Beziehungsform als „sexuelle Beziehung (ohoh, da ist das böse Wort, dass niemand hören will) zu einem sehr engen Freund, wobei jedoch keine Liebesgefühle im Spiel sind“ und selbst flirtuniversity.com ergänzt diese Erklärung durch die Klammer „(zumindest anfangs)“. Na das sagt doch einiges über den Erfolg.

Doch flirtuniversity.com, wäre keine „university“, wenn danach nicht noch ein paar Regeln zum auswendig lernen folgen würden.
Darunter fallen Dinge wie: 

  •   Besprecht zu Beginn was ihr wollt
  •  Entscheidet wer darüber Bescheid wissen soll und
  • Wie wollt ihr es mit anderen Partnern halten (oder wie man es in Stuttgart nennen würde – exklusiv oder nicht? Man will sich ja nichts einfangen.)

Unkomplizierter Sex mit einem Freund, ohne Gefühlsduselei, ohne Händchenhalten und kuscheln – klingt zu gut? 

Vollkommen richtig. Ich sage nicht, es sei unmöglich eine Freundschaft Plus zu führen und generell klingt es tatsächlich sogar ziemlich gut, doch kenne ich kein Freundschaft-Plus-„Pärchen“, bei dem es dabei geblieben ist. Zwei erwachsene Menschen, die einfach nur regelmäßig Sex haben, ohne Gefühle? Scheinbar nicht machbar.

Doch lasst mich erzählen, was aus den beiden Freundinnen und ihren Nicht-Beziehungen geworden ist.

Im ersten Fall haben sich auf beiden Seiten Gefühle entwickelt. Nach einigem Hin und Her haben sie das Ganze abgebrochen, auch weil er gleichzeitig und trotz Gefühlen, die er ihr schon gestanden hatte was mit einer anderen hatte. Sie bezeichnet die Zeit zwar als schön, aber alles in allem sei es in einem Desaster geendet. 

Die Spannung zwischen den beiden bliebe nun auch dem gesamten Freundeskreis nicht verborgen und deshalb ziehe sie sich etwas zurück, auch weil sie erst nach ihm und dank ihm in diesen Freundeskreis integriert wurde, sagt sie.

Schade, blöd gelaufen und ehrlich, Jungs, ihr könnt doch nicht einem Mädel eure Gefühle gestehen und dann nach nicht mal zwei Wochen mit einer anderen in die Kiste springen. Vor allem nicht, wenn die Dame eures Herzens euch sagt, dass sie auch Gefühle für euch hat, aber sich das Beziehungsding erst noch einmal überlegen will, weil ihr beide zuvor sehr schlechte Erfahrungen damit gesammelt habt. Da hätte ich mehr erwartet.

Kommen wir jetzt zurück zu Anna und Tom. Romantische Gefühle sind da wohl immer noch nicht im Spiel, doch Anna erträgt die Kommentare der anderen Mitschüler und die Blicke ihrer Mitmenschen nicht mehr. Deshalb hat sie die Freundschaft plus zu Tom auf Eis gelegt. Er versteht Anna nicht so richtig. Sie solle doch einfach die dummen Kommentare seiner Freunde überhören. Das kann und möchte sie allerdings nicht und hat deswegen für sich diese Entscheidung getroffen, ob Tom nun damit einverstanden ist oder nicht.

Im Endeffekt kann ich die Beweggründe verstehen, wenn zwei Menschen eine Freundschaft Plus eingehen. Ob das Ganze Erfolg hat, hängt allerdings offensichtlich nicht nur von den beiden „Partnern“ ab, sondern auch vom gesamten Umfeld und den zuvor bestimmten Spielregeln, die ich tatsächlich für sinnvoll halte. Ich nehme an, die Kommunikation zwischen beiden Parteien muss einfach stimmen, aber das ist bei keiner Beziehungsform anders.

Doch was ich mich frage, wie beendet man eine Freundschaft Plus, wenn jetzt nicht unbedingt die Freunde des einen Partners (mit ein) Grund sind?
Sowas wie „Hey, ich habe genug von dir“ stelle ich mir nicht sonderlich förderlich für die Freundschaft vor, zu der man im Optimalfall ja wieder zurückkehren will.

Habt ihr bereits Erfahrungen mit einer Freundschaft Plus gesammelt und wie ist es bei euch ausgegangen, oder seid ihr vielleicht sogar immer noch glücklich „nicht zusammen“?

Hinterlasst mir einfach einen Kommentar oder schreibt mir privat eine Nachricht.

Ein fettes Dankeschön an der Stelle an meine Freunde, die mir immer wieder ihre Sorgen anvertrauen und ihre Erfahrungen mit mir teilen. Ihr regt mich zum Nachdenken an und seid meine Inspiration. Auch Anna möchte ich herzlich danken, die mir sogar das gesamte Chatprotokoll mit Tom geschickt hat, um meine Meinung zu erfahren und mich bei diesem Blogbeitrag zu unterstützen.


Es ist schön Freunde zu haben, denen die eigenen Ansichten wichtig sind. Fühlt euch ganz feste geknuddelt!