Der Brexit und die Jugend


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Von Klum, über Böhmi, bis hin zum Brexit

Die schier endlosen Prüfungen haben nun doch noch ihr Ende gefunden, so dass es hier im Blog nun in die zweite Runde geht. 

In den letzten Wochen und Monaten hat sich einiges angestaut – vom katastrophalen Germanys Next Topmodel Finale, bei dem schon den Jüngsten beigebracht wird, wie ungerecht das Leben ist, denn man quält sich erst wochenlang von einer Prüfung zur nächsten, bis dann im Finale die Modell-Mama Heidi Klum alleine und völlig subjektiv entscheidet wer gewinnt; über den Fall Böhmi; bis hin zu dem Britischen Aus in der EM und der EU. 

Zu all diesen Themen wurde bereits in letzter Zeit sehr viel geschrieben, diskutiert und analysiert.

Ich möchte weder meine Kollegen aus der Presse wiederholen, noch euch langweilen und dennoch liegt mir eines der oben genannten Themen besonders am Herzen.

Nein, es ist nicht Modell-Mami Heidi, sondern der Brexit. 

Von der Geschichte, wie einer mal das Weite suchte

Das Verlassen der EU durch Großbritannien: Gerade in den öffentlich-rechtlichen Medien werden weitestgehend nur die wirtschaftlichen Folgen, sofern es denn längerfristig überhaupt welche geben wird, abgearbeitet.

Viel interessanter ist es jedoch sich das Wahlergebnis dem Alter nach gestaffelt anzuschauen. 

Ja, ich weiß, das haben auch schon viele meiner Kollegen geschafft, hier kommt trotzdem nochmal eine kleine Grafik dazu:

Quelle: http://bit.ly/29r7gU5
























Die Frage nach dem großen Warum

Jetzt kommen wir zu der Frage, auf die nur wenige Kollegen eingehen: Warum liegt die Diskrepanz zwischen den Befürwortern und den Gegnern des EU-Ausstiegs im Alter der Wähler? Welche Nachteile sehen die jungen Briten im Verlassen der EU, die die Älteren nicht sehen oder einfach nur anders bewerten?

Zuerst einmal muss dafür betrachtet werden, wie es überhaupt zu diesem Votum kommen konnte. James Dyson, Geschäftsführer des gleichnamigen Unternehmens sagte in einem Interview Großbritannien werde von den Deutschen dominiert und drangsaliert. 

So empfinden viele britische Arbeiter, die meist unterbezahlt werden.
Und genau so entstand in dieser breiten Masse die Angst vor einem bevorstehenden Scheitern, dem Scheitern der hart arbeitenden Menschen. 

Und wer ist der Schuldige? Die EU!

Doch ist die EU wirklich so böse? 


Die vielen Vorteile, wie z.B. vereinfachte Zahlungs- und Marktbedingungen wurden einfach übersehen. 
Es macht in den Augen der Mehrheit der Briten keinen Unterschied, ob sie bleiben oder gehen. Im Gegenteil, Gehen wurde als die angenehmere Alternative angesehen.

Nicht zuletzt durch die inspirierende Erzählung des Brexit-Lagers von einem Staat, der sich seine Souveränität auf friedlichem Wege wiederholt.

Was das „Leave“ für die Jungend bedeutet, scheint dabei völlig außer Acht gelassen worden zu sein. 

Was bedeutet es denn nun für die Jugend? 
 
Die Forschungen vieler Universitäten werden mit Fördergeldern der EU unterstützt. Diese könnten bzw. werden jetzt wegfallen. In der Folge werden die Studiengebühren steigen und bei den horrenden Mieten, die ohnehin schon in London herrschen, werden sich nur noch wenige das Studieren leisten können.

Das spontane „semester abroad“ in Europa wird nun langfristig geplant werden müssen mit Berücksichtigung der Fragen ob ein Visum benötigt wird, für den längeren Aufenthalt oder ob bei einem Auslandspraktikum eine Arbeitserlaubnis notwendig sein wird.

Das Studieren und Arbeiten wird dadurch nicht nur teurer, sondern auch um Längen unattraktiver. Dabei wollen die meisten britischen Jugendlichen eine offene und kulturell vielschichtige Gesellschaft, wofür sie nicht nur bereit sind selbst Auslandsaufenthalte durchzuführen, sondern auch Europäische Mitbürger willkommen heißen. 
Genau jene offenherzige Kultur möchte Londons Bürgermeister Sadiq Khan weiterführen und beteuert deshalb, dass auch weiterhin Europäer in der britischen Hauptstadt willkommen seien.


Wie konnte es soweit kommen?
 
Die Zahl klingt beeindruckend: 76% der Wähler zwischen 18 und 24 möchten Teil der EU bleiben. Schade dabei ist nur, dass lediglich ca. ein Drittel der Wahlberechtigten in jenem Alter zur Wahl gegangen sind.

Warum die Wahlbeteiligung in jener Altersklasse so gering war, darüber lässt sich nur spekulieren. 

Eine Studentin erklärt z.B. SZ-Reporter Jan Kedves, dass zu der Zeit Prüfungsphase gewesen wäre.(*) Und ich kann es verstehen, auch mich hat in den letzten Wochen alles kalt gelassen, was nicht mit meinen Prüfungsfächern zu tun hatte.

Außerdem muss sich jeder Wähler im Vorhinein im aktuellen Wählerverzeichnis registrieren lassen, denn dort wird man nach einem Umzug oder als Erstwähler nicht automatisch aufgenommen und dafür hat doch nun wirklich kein Student im Prüfungsstress die Nerven.

Aber nicht jeder junge Erwachsene saß lernend in der Bib. Nein, es gab auch jene, die sich auf dem legendären Glastonbury Festival herumtrieben und feierten.

Zu dem kam das schlechte Wetter im Süden Englands und in London. Durch starke Regenfälle konnten viele potentielle Wähler nicht mit den öffentlichen Verkehrsmitteln in ihre Heimatorte zurück, wo sie hätten wählen dürfen.

Nichtsdestotrotz 

Ja, der knappe Wahlausgang kann eine Verkettung vieler unglücklicher Zufälle gewesen sein, aber dennoch hat sich jeder, der nicht zur Wahl gegangen ist bewusst dafür entschieden, denn eine Teilnahme an der Wahl war sowohl online, als auch per Briefwahl möglich.

Jetzt finden die Jugendlichen ihre Stimme wieder. 

Vergangenen Samstag (02.07.2016) gingen viele von ihnen auf die Straße und protestierten mit Slogans wie „I love EU“ oder „Wir sind die 48 Prozent!“

Zu spät? 

Ist es jetzt schon zu spät für die kontinentale Freiheit von Studenten und Arbeitnehmern? 
Ist es schon zu spät sich Gedanken über die ausbleibenden Fördergelder der EU zu machen? 
Haben die „Alten“ tatsächlich den „Jungen“ die Zukunft verbaut? 
Und gilt es jetzt einfach klein beizugeben und Demokratie aushalten zu müssen?

All diese Fragen werden sich in naher Zukunft klären. Bis dahin heißt es abwarten und das Wahrergebnis und die damit zusammenhängende Unzufriedenheit als Weckruf in der ganzen EU zu verstehen. 

Wir haben eine Stimme! Nun müssen wir sie nur noch gebrauchen!


(*) Die interessante Reportage von Jan Kedves "Brexit: Noch ist London nicht verloren" findet ihr übrigens hier: http://bit.ly/29nNgj1