Umziehen fällt nie leicht



Es gibt immer wieder Momente, da wünscht man sich wieder Daheim bei Mutti zu wohnen. Denn so manches Mal nutzt einem die gewonnene Freiheit nichts, aber dafür würde eine helfende Hand, eine tröstende Umarmung oder eben, wie in meinem Fall, eine selbstgekochte Hühnersuppe Wunder wirken. Doch Ausziehen bedeutet Abschied und Abschied bedeutet all die Annehmlichkeiten Zuhause lassen.

Die Erkältung


Kurz vor Frühjahresbeginn, hat auch mich nun endlich die Grippewelle erwischt. Schniefend mit Halsschmerzen und gelegentlichen Hustenanfällen liege ich im Bett. Alleine. In einer fremden Stadt. 
Na gut, so fremd ist die Stadt für mich nicht mehr, schließlich bin ich schon seit Sommer 2014 alle 3 Monate hier in München. Dennoch, meine Eltern sind knappe 500km weit weg und ich würde im Moment wirklich vieles für Mamas Hühnersuppe geben oder dafür zu Papa sagen zu können „Kannst du bitte für mich noch schnell zur Apotheke düsen?“ 
Ja, in den 7 Tagen, die die Grippe mit Medikamenten dauert, würde ich selbst meine liebgewonnene Freiheit opfern. Ich kann schließlich im Moment sowieso nur im Bett liegen, also wäre es kein großer Verlust.


Nein, meine Eltern sind keine Monster, aber…


Aber um ehrlich zu sein, nach den 7 Tagen sieht die Welt schon wieder ganz anders aus. Fragt man mich ob ich wieder zurück zu meinen Eltern ziehen würde, ist meine erste Reaktion immer die Gleiche: „Nein, wirklich nicht.“ Dann muss ich lächeln und erkläre, dass meine Eltern keine Monster sind, sondern wirklich wundervoll, aber dieses ganze aufeinander Rücksicht nehmen, ständig irgendwelchen familiären Verpflichtungen nachkommen und bloß nicht betrunken von Partys kommen (ach Moment mal, ich komme vom Dorf, also welche Party?) ist wohl auf Dauer mittlerweile zu anstrengend für mich. 


So plötzlich zwischen Abiprüfung und Abiball


Mein Auszug damals ging recht schnell und bevor mir wirklich bewusst war, dass ich ausziehe, war ich auch schon weg.


Ein paar Tage vor meinem mündlichen Abitur, klingelt mein Handy und am anderen Ende der Leitung meldet sich mein jetziger Chef. 
Es folgt eine Einladung zum Vorstellungsgespräch einen Tag nach der Prüfung. Natürlich nehme ich an. 


Also setzen meine Mutter und ich uns nach meiner Prüfung und ohne das Wissen um meine Note ins Auto und fahren die 500km nach München. Das Vorstellungsgespräch verläuft gut und bereits 12 Tage später brauche ich eine eigene Wohnung in München. 


Und so kam es, dass ich in der Nacht des 01. Juli 2014 zum ersten Mal in meiner eigenen Wohnung und ganz alleine schlief. 


Pizza geht eben nicht immer


Die ersten Tage waren eigentlich fast wie Urlaub, wenn man mal davon absieht, dass ich arbeiten musste. 
Mama hat bevor sie gefahren ist meine Wohnung ordentlich geputzt und natürlich auch noch den Kühlschrank aufgefüllt. 


An dieser Stelle, falls ich mich noch nie dafür bedankt habe – Danke Mama! Du bist die Beste!


Das erste Mal das ich merkte, dass ich nicht nur Urlaub machte, war circa eine Woche nach meinem Auszug. 

Ich stand inmitten eines Supermarktes und überlegte mir, was ich abends noch kochen wollte. Pizza geht immer? Falsch. Pizza geht nur mit Backofen. 


Und so kommen wir nun zum eigentlichen Thema: Abschied und Umzug


Wie anstrengend Wohnungssuche und ein Umzug sein können, kann wahrscheinlich keine andere Gesellschaftsgruppe besser nachempfinden als Duale Studenten.

Alle 3 Monate umziehen bedeutet nicht nur Koffer ins Auto schmeißen und los geht’s, sondern auch eine Menge emotionaler Stress. 
Man muss sich ständig von liebgewonnenen Personen und Gewohnheiten verabschieden. Anschließend beginnt man wieder in einer anderen Stadt. 

Natürlich braucht man normal spätestens ab dem 3. Semester nicht jedes Mal von vorne anzufangen, aber ein merkwürdiges Gefühl hinterlässt jeder Abschied.


Abschied nach 0815-Art


Bei uns läuft eigentlich fast jede Verabschiedung im Kurs gleich ab. Nach der letzten Prüfung stehen wir mit ein paar Sekt- (und) oder Bierflaschen vor der Uni, diskutieren über die Klausur und fragen uns in welcher WG wir jetzt Einzug halten, bevor wir abends zur Party gehen.


Und dann geschieht es. Einer umarmt den Nächsten um sich zu verabschieden, nachhause zu gehen, die Koffer ins Auto zu schmeißen und zu verschwinden.


Jedes Mal aufs Neue stellt dieser Punkt eine kleine Wende dar. 
Der ausgelassenen „Wir-haben-endlich-die-letzte-Prüfung-hinter-uns“-Stimmung weicht ein kleinwenig Wehmut und ab und an fließt auch das ein oder andere Tränchen zwischen all den lieben Worten.


Kann man sich daran gewöhnen?


Ja, Abschied nehmen ist nie leicht. Egal ob man sich in 3 Monaten wieder sieht oder erst viel später.


Als Dualer Student, denkt man immer, man gewöhnt sich schon irgendwann dran.

Schließlich bedeutet ein Duales Studium für uns ca. 12-mal umzuziehen und 12-mal Lebe-Wohl zu sagen, aber die Gewöhnung bleibt aus. 

Im Gegenteil, mir kommt es so vor als wird es mit jedem Mal schwerer, denn man lernt die Leute noch besser kennen, man gewinnt sie noch lieber und muss sich doch wieder verabschieden. Und mit jedem Abschied rückt das endgültige "Tschüss" näher.


Der schwerste Abschied


Ich denke es ist nicht leicht, sich zu entscheiden welcher Abschied mir im Rahmen meines Studiums am schwersten gefallen ist. Klar, der schmerzhafteste war der erste von Zuhause. 


Zu wissen, dass man zwar jederzeit an diesem Ort, der beinahe 18 Jahre lang immer Heimat für mich bedeutet hat, willkommen ist, man aber plötzlich nicht mehr Tag ein und Tag aus die eigenen Eltern und Geschwister sieht, diese keinerlei Verantwortung mehr für einen übernehmen können und man auch nicht mehr in den Arm genommen werden kann, fällt schwer. 


Aber auch der Abschied im dritten Semester von meinen Kommilitonen war nicht ohne. Plötzlich wurde einem bewusst, dass man die meisten der Studenten nur noch 2 Mal sehen wird, denn im 5. Semester steht das Auslandssemester an.


Und ja, ich denke der schwerste Abschied steht mir noch bevor. Nächstes Jahr im Juni heißt es „Auf Wiedersehen“-sagen. 
Auf Wiedersehen und hoffentlich bis zum Ball und dem Erhalt unserer Abschlusszeugnisse in hübschen Kleidern und schwarzen Anzügen. :-)